Dem Antrieb, ein Bild zu malen, liegt bei Gert Handschin ein fotografischer Impuls zugrund. Er bezieht sich auf eine bereits vorgefundene Bildsprache. Während des Malens dann entfacht die ursprüngliche Bildidee ihre gestalterische Eigendynamik. Das heisst: die Arbeiten leben von der Spannung zwischen der durch die Foto vorgegebenen Bildaufteilung einerseits und dem intuitiven sinnlichen Farbauftrag andrerseits. Er verändert Fläche zu einem rhythmisch pulsierenden Raum. Dieser Auftrag der Farbe und die skulpturale Ausformung, sind Resultat grosser handwerklicher Sorgfalt.

Die künstlerische Gestaltung eines Bildes von Gert Handschin aber trägt viel mehr Interpretationsmöglichkeiten als ihre Basis direkter Anschauung der Natur. Dabei taucht die Frage auf: sind die Bilder von Gert Handschin schön? Das ist eine Frage der Ästhetik. Aber geht es nicht vielmehr darum zu fragen: Was ist ihm wichtig?

Geht es, auf der Basis der Fotografie, nicht eher um die Frage: Was ist Wahrnehmung d.h. um die Frage: Was ist künstlerische Wahrheit? Was ist Identität? Wie kommt bei Gert Handschin Identität zustande?

Es ist ein Dialog zwischen ihm und seiner Umgebung. So gesehen gilt als Basis für die Identität seines Werkes die Integration von Verschedenheit. Dann wäre die Art und Weise wie er – wie man – etwas anschaut das Ausschlaggebende.

Alfred Knüsel

Gert Handschin lässt sich leiten von praktischen Erwägungen, die er mit seiner Wahrnehmung in ein gefühlsmäßiges Gleichgewicht bringt. Bewusst und unbewusst fließen in seine Arbeiten eine ganze Reihe von Komplementaritäten ein: Fläche und Raum, Licht und Dunkelheit, Innen und Außen, Vorne und Hinten, Leichtigkeit und Schwere, Positiv und Negativ, Ganzes und Ausschnitthaftes. Seine Arbeit ist fast wie ein Beweis dafür, dass der Körper, der Raum schon in der Fläche angelegt ist. Doch seine Eingriffe sind nicht geleitet von einem mathematischen Denken. Bestimmend für die Ergebnisse ist das Gespür für die Wirkung. Der meist einfachen, wie selbstverständlich erscheinenden Gestalt liegt eine komplexere Konzeption zugrunde – eine Mischung aus Systematik und Gefühl.

Gerd Jansen

Kunstlehrer sind fast nie nur Unterrichtende, sie machen sehr oft selber Kunst. Gert Handschin (Jahrgang 1959) hat Mitte der 80er Jahre räumliches Gestalten an der Schule für Gestaltung in Basel studiert und seither rund zehn Einzelausstellungen und über 50 Gruppenausstellungen gestaltet. Er hat verschiedene Stipendien wie das Eidgenössische und das von Basel erhalten und zahlreiche seiner Werke wurden von Riehen, Kanton Basel-Stadt und Land angekauft. So hängen wohl einige in Basler Verwaltungsbüros, Handschin weiss selbst nicht wo. Er hat offensichtlich als bildender Künstler über die Jahrzehnte eine natürliche Selbstsicherheit gewonnen, fühlt sich nicht abhängig von der Kunstszene.

Seine ursprüngliche Ausbildung zum Schreiner ist für ihn prägend: die Liebe zum Handwerk, zum Material und zum präzisen Arbeiten damit.

Einen Teil seines Werks hatte ich an zwei Basler Ausstellungsorten entdeckt, einige Zeit bevor ich den Künstler als Kollegen an der Schule kennen lernte. Fast könnte ich also von einem unvoreingenommenen Blick sprechen… Ich sah damals kleinformatige Bilder, nicht gegenständlich und doch an Bekanntes erinnernd, unauffällig in den Farben, geheimnisvoll und zugleich nahezu lapidar. Es war mir, als müsste ich zumindest eines der Bilder leicht anheben, um dahinter zu sehen, in dessen Tiefe hinein blicken zu können. Etwas Sinnliches strömen diese Bilder für mich nach wie vor aus, trotz oder wegen ihrer Kargheit und Bescheidenheit. Sie wollen nicht mehr sein als sie sind. Die einfachen Materialien stammen mehrheitlich aus der Industrie – nüchtern und „eigensinnlich“. Vom Geheimnisvollen im Alltäglichen handeln seine Bilder, sagt er. Was heisst Bilder? Alle waren und sind sie räumlich, oft mit breiten Bildrändern, die ebenfalls bearbeitet sind, eigentliche Bildkörper: Quadrate, Rechtecke, Trapeze, Kuben, räumlich gehängt oft oder in Räume gestellt, so dass der Umraum Teil des Bildes wird. Handschin arbeitet langsam, überarbeitet immer wieder, bis „es stimmt“ und er ein Werk also als fertig betrachtet.

Weite und Enge, Licht und Dunkel

Noch früher, Ende der 80er Jahre, hatte Gert Handschin archaische Zeichen in Holz gefräst, das Kreuz etwa oder Plus-, Minus- und Malzeichen, wiederum kreuzförmig angeordnet. Dies alles scheint mehr intuitiv als intellektuell zu entstehen: keine Konzeptkunst, die uns irgendwelche privaten oder modischen Ideen aufdrängen möchte. Wir als Betrachtende interpretieren gemäss unserer subjektiven Erfahrung und Wahrnehmung, aber unabhängig davon zieht sich durch sein ganzes Werk ein offensichtlicher roter Faden, etwa die angesprochene Einfachheit und Reduziertheit. Weite und Enge, Nähe und Ferne, Licht und Dunkel, anziehend und unheimlich zugleich kommen uns als Themen entgegen. Titel fehlen oder sind abstrakt offen. Handschin nennt diese gleichzeitig existierenden Gegensätze typisch für seine Bilder. Auch die neusten Fotoarbeiten sprechen diese Sprache: Unterwasseraufnahmen, ohne speziellen Aufwand als Taucher aufgenommen, die Kamera einfach ins niedrige Wasser gehalten, kaum bearbeitet. Auch sie beinhalten eine heimliche und zugleich unheimliche Räumlichkeit. Die passende Berufsbezeichnung für Gert Handschin könnte sein: Raumschaffer.

Eva Kramis

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